Die Kleidermotte Christine

      Die Kleidermotte Christine



      Christine gähnte und streckte ihre sechs dünnen Beinchen von sich.
      Ach sie hatte so gut geschlafen. Christine faltete ihre Flügel auseinander gähnte wieder und streckte sich nochmal kräftig.
      Langsam glätteten sich die silbrig glänzenden Flügel.
      Christine wohnte seit einigen Wochen im Kleiderschrank von Frau Müller.
      Gestern hatte sie das erste Mal von der naturfarbenen Seidenbluse gegessen. Nach so einem Festmahl, da kann man nur gut schlafen. Normalerweise speiste sie von dem alten Nerzmantel, der wurde nur selten getragen.
      Frau Müller allerdings mochte Christine nicht leiden und verfolgte sie mit lautem, panischem Klatschen wenn Christine durch die Wohnung flatterte. Im Kleiderschrank hingen auch neuerdings solch stinkende Papierfetzen. Christine wurde es jedes Mal richtig übel wenn sie in der Nähe eines solchen Fetzens war.
      Doch der Kleiderschrank war riesig, deshalb hatte sie sich eine neue Ecke gesucht und dabei die leckere Seidenbluse entdeckt.
      Christine konnte nicht verstehen warum Frau Müller sie nicht leiden mochte, wo sie doch so schön war und wie ein Diamant in der Sonne glänzte.
      Doch jetzt brauchte sie Bewegung, nachdem sie sich mit ihren Vorderfüßen das Gesicht gewaschen hatte und ihre Flügel glatt und glänzend auf ihrem Rücken lagen, überlegte sie ob sie durch das Wohnzimmer oder erst durch die Küche fliegen sollte. Dort war Frau Müller mit Geschirrspülen beschäftigt. Ich fliege in die Küche, vielleicht kann ich Frau Müller erfreuen, heute bin ich besonders schön, ich werde ihr gefallen und Christine strich ein weiteres Mal über die glänzenden Flügel.
      Als sie um Frau Müller herumflatterte, schrie die auf: „Pfui eine Motte“, dann wurde es dunkel um Christine. Die Müllerin hatte die Kleidermotte Christine mit der Fliegenklatsche getroffen.
      Ein bisschen benommen hörte Christine in der Ferne eine schöne Musik, langsam wurden die Klänge lauter und sie spürte, dass jemand an ihrem linken Vorder-Beinchen zerrte. „Christine, Christine wach auf.“ Als sie zaghaft ihre Augen öffnete flatterten viele Motten, mit Flügeln wie aus Perlmutt um sie herum. Manche der Motten hatten früher in Frau Müllers Kleiderschrank gewohnt und waren plötzlich verschwunden. „Christine komm schnell, schön dass du da bist.“ Christine erkannte die Stimme ihrer Freundin Elisabeth. „Wir müssen die gewaschenen Engelskleider aufhängen, morgen ist Weihnachten da begleitet die Engelsschar das Christkind auf die Erde und alle tragen ihre schönsten Gewänder.“ Christine folgte Elisabeth und von nun an pflegte sie glücklich im Himmel die zarten duftigen Engelsgewänder.

      © Cornelia Bienenstein-Hock 11/2018