Bewusste Zeichensetztung

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      Bewusste Zeichensetztung

      Satzzeichen. Das perfekte Werkzeug, um eine bestimmte Atmosphäre zu erschaffen. … Neben den einzelnen Wörtern.
      Doch leider beachten viele Autoren –, vor allem junge Autoren, – nicht auf die Wirkung dieser. Meistens achten sie darauf, dass die Sätze grammatikalisch-korrekt sind.
      Ich bin keine Ausnahme.
      Jedoch möchte ich dies ändern. Denn ich arbeite an einem Horrorroman. Da muss man ganz besonders auf die Atmosphäre achten.
      Ihr glaubt mir nicht.Hier sind ein paar Beispiel:

      Beispiel 1:
      »Was meinst du«, Eris’ Kinn suchte den Weg nach unten. Ihre Augen flackerten gläsern.

      Beispiel 2:
      Nina schlürfte die Nudeln. Ein roter Kreis bildete sich um ihren Mund. Mmh… Tomatensauce.

      Beispiel 3:
      Lucy war eine Studentin; sie studierte an der Cambridge-Universität.

      Beispiel 4:
      Satzzeichen sind wichtig. Vor allem wenn man tolle Geschichten erzählen möchte.

      Beispiel 5:
      Nein! Das darf nicht wahr sein!
      Ich habe jetzt einen Krimi / Thriller und einen Thriller / Horror geschrieben und dabei auf "..." und - so gut wie komplett verzichtet, ohne Abriss der Atmosphäre. Ich finde, es lässt sich am einfachsten Atmosphäre erzeugen, wenn du auch so einfach wie möglich schreibst. Das bedeutet, sich auf folgende Satzzeichen zu beschränken:
      .
      ,
      :
      -
      !
      ?
      «
      »

      In deinem ersten Beispiel müsste das Wort "du" fortgesetzt werden, da du kein Leerzeichen zwischen "du" und "..." hast. Somit bedeutet es, das Wort muss noch fortgesetzt werden. Das meinst du aber ganz sicher nicht, ergo muss ein Leerzeichen vor die "...". Die Frage ist weiterhin: Wenn der Name "Eri" ist, dann brauchst du keinen Apostroph. Heißt die Figur "Eris", erst dann brauchst du einen.
      Ohnehin bin ich kein großer Freund der "..." da sie eher als Auslassungszeichen genutzt werden. Nach dem "hmm" haben sie ganz eigentlich nichts zu suchen. In deinem Beispiel 2 wäre also eher der Gedankenstrich angebracht. Ohnehin wäre da die Frage, ob das die Gedanken der Figur sind, die die Nudeln isst oder die Meinung des Erzählers. Das geht so nicht aus dem Beispiel hervor. Außerdem hätte ich das "hmm" eher mit der Beschreibung eines genussvollen Lautes angedeutet. Aber das ist wohl Ansichtssache.
      Beispiel 3: Ob nun ; oder , oder . oder :, Atmosphäre wird mit keiner der Möglichkeiten erzeugt, denn da geht es eher um das Verständnis der Lebenssituation der Figur.
      Im Beispiel 4 ist der Gedankenstrich falsch genutzt, da dieser nicht am Anfang eines Satzes stehen darf und am Ende darf kein Punkt stehen. Gedankenstriche werden genutzt, um längere Sprech- oder Denkpausen zu signalisieren und können genutzt werden, um einen langen Satz noch weiter zu entschleunigen und zu strukturieren.
      Beispiel 5: Das ist korrekt :D
      Naja. Meine Deutschlehrerin meinte, dass man (je nach Satzzeichen) anders liest. Damit kann man auch eine Atmosphäre erschaffen... also, wenn man daran glaubt. (Die Meisten beachten ja dies nicht. Mich eingeschlossen.)
      BTW, was hälst du vom ... ?
      Also wenn ich z.b. " Lukas machte große Augen. 'Ich... Nein, ich meinte das nicht so. Könntest du mich bitte ausreden. ... Ach! Weißt du was, vergiss es. Du verstehst es eh nicht.'"
      Oder: "Tinas Gesicht wurde rot: "Lukas, nein, du verstehst es falsche! Ich meinte das nicth s..."
      Also, ich bin ja kein Lehrer. Aber Das Odeon kann hier ganz sicher helfen :D
      Ich für meinen Teil würde die drei Punkte so selten wie möglich aus der Kiste holen.

      Wenn dann müsste es erstmal so bei dir aussehn:
      Lukas machte große Augen. 'Ich ... nein, ich meinte das nicht so. Könntest du mich bitte ausreden ... ach! Weißt du was, vergiss es. Du verstehst es eh nicht.

      Das Problem ist, das ist so eine schwierige Kiste, ich würde das ganze Ding anders schreiben:
      "Ich", begann Lukas, blickte dann aber resignierend drein und fuhr fort "Nein, ich meinte das nicht so."
      Die Röte stieg in Tinas Gesicht, als sie Lukas ins Wort fiel: "Lukas, nein, du verstehst es falsch!"
      "Könntest du mich bitte ausreden lassen?", erwiderte dieser, "Ach! Weißt du was? Vergiss es einfach! Du wirst es ohnehin nie verstehen."
      Die Zornesfalten warfen düstere Schatten auf Lukas' Gesicht, als er sich abwandte.
      "So meinte ich das nicht.", flüsterte Tina von Verzweiflung erfüllt, als sie nur noch Lukas' bebenden Rücken betrachtete.

      Irgendwie so.

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      So, Hallo,
      der Deutschlehrer und Literaturanalytiker meldet sich dann auch mal zu Wort ^^

      Lieber Silberdelfin,
      ein superspannendes Feld, für das ich dir irre dankbar bin.

      Zeichensetzung hat in der Literatur und gerade beim Erzählen tatsächlich zwei Funktionen: erstens die grammatikalische Korrektheit, bei der es keine Diskussion gibt. Zweitens: die erzählerische Dimension, die sehr viel Spielraum eröffnet.

      Ich gehe mal bewusst auf das von Alex anvisierte Thema der "..."-Setzung. Was sollen die drei Punkte bewirken? Nun streng genommen nichts anderes, als dass dem Leser suggeriert werden soll, dass gerade eine Pause stattfindet, in der streng genommen nichts passiert aber zugleich viel Spielraum für Interpretation offen bleibt.
      Grammatikalisch gibt es hierfür zwei Herangehensweisen. Es gibt die drei Punkte und es gibt den Pausenstrich.
      Ich persönlich wage zu behaupten, dass es keinen psychologischen Unterschied zwischen beiden gibt. ABER, es gibt den von Alex vorgezogenen Weg des SdT, bzw. der Adjektive.

      Nun gibt es aber zwei verdammt gute Gründe, die mir spontan einfallen, auf den traditionellen Alex-Weg zu verzichten und den, auf den ersten Blick, dilettantischen Satzzeichenweg zu bevorzugen.

      (1) Erzählzeit ungleich erzählte Zeit

      Selten sind Erzählzeit und erzählte Zeit identisch. Gerade bei Dialogen. Aber die meiste Zeit gibt es Differenzen. Nehmen wir folgenden Satz: "Ben schlug mit der rechten Faust so fest zu, dass es Fredi in den Ohren klingelte." In der Zeit, in der ich diesen Satz gelesen habe, hat Ben dreimal zugeschlagen (Er ist Profiboxer). Oder umgekehrt: "Sven flog nach Schweden. Dort angekommen, mietete er sich ein Auto und machte sich auf den Weg Richtung Finnland, um seine Freundin einzufangen." So schnell ist man nicht nach Schweden gezogen.
      Wenn wir die Zeit dehnen (Bsp 1), werden wir ausführlich, nehmen aber Tempo raus. Wenn wir Zeit raffen (Bsp 2), werden wir uneindeutig, beliebig, nehmen aber Tempo rein. Bei Spannung wollen wir irgendwie die eierlegende Wollmischsau. Wir wollen oft super detailliert sein und gleichzeitig, dass es schnell geht. Das führt gerne zu Ellipsen (unvollständige Sätze), kurzen Stakkatosätzen, oder eben zu gekonntem Einsatz von Satzzeichen:

      "Sven schlug zu! Die Faust! Links! Rechts! Ein Prasselfeuer aus Fausthieben. ... und niemand griff ein."

      Die Ausrufezeichen unterstreichen die Wucht, die drei Punkte dagegen beziehen sich hier darauf, dass die Schläge immer weiter gehen und es so entsetzlich ist, dass wir uns abwenden, das Publikum betrachten und entsetzt feststellen nach einer dramatischen Schockpause, in der selbst der Erzähler keine Worte zu finden vermag: dass niemand eingreift. Zivilcourage? Nicht vorhanden.

      2) Der Erzähler

      Damit sind wir auch schon bei Punkt 2. Der Erzähler hat die Aufgabe, dass er uns durch die Geschichte führt. Als Leser vertrauen wir ihm (fatalerweise) und als Autor können wir damit spielen. Sagen wir, der Erzähler genießt nach zwanzig Seiten richtig gutes Vertrauen bei den Lesern. Nun kommt unsere Horrorgeschichte zu dem Höhepunkt. Und jetzt, da es zur Spannung kommt, zieht sich der Erzähler komplett aus der Verantwortung. Er meldet sich überhaupt nicht mehr zu Wort und signalisiert dem Leser, dass auch er von den Ereignissen überfordert bzw. überrannt wird.
      Stellen wir uns vor, zwei Kinder betreten eine alte, muffige, dunkle, unheimliche Lagerhalle. Der Erzähler beschreibt:

      "Das Licht flackerte epileptisch. Sven tastete instinktiv nach seinem an der Seite baumelnden Rucksack. Und er fragte sich, ob es jetzt schon Zeit war, die Taschenlampe zu ziehen. Wenn Tom nicht gewesen wäre, hätte er diesen dummen Raum wahrscheinlich nie betreten. Sie folgten dem erstbesten Flur in Richtung Nordflügel. Die Wände waren mit dem üblichen Graffiti beschmiert. Aber nur am Anfang. Schon nach der ersten Biegung stellte Sven fest, dass es hier nichts mehr gab. Keine Schmierereien, keine Verwüstungen. Selbst der Dreck auf dem Boden nahm ab.
      Fast, als ob es nicht sein erstes Mal hier wäre, öffnete Tom eine Tür auf der rechten Seite und winkte ihm zu.
      Sie betraten den ehemaligen Untersuchungsraum. Überall Pritschen. Operationstische. Ein rollbarer Schrank mit Operationsbesteck. Weiter hinten: halbdurchsichtige Latexvorhänge. Mit einer ekelhaften Brühe, die daran klebte. Sven musste an Sonja denken, die seit Wochen nicht mehr dieselbe war.
      "Wir werden herausfinden, was hier passiert ist! Versprochen.", sagte Tom unnötigerweise. Es klang, als ob er sich selbst Mut machen wollte. Vor allem: es klang nicht, als ob er überhaupt zu Sven sprach. Sondern nur zu sich selbst. Wie ein Kind, das nur singend in den dunklen Keller herabsteigt. Wo Menschen singen oder reden, kann es keine Monster geben.

      Wir haben sehr viel Erzähler-Rede. Wir stellen fest, dass wir durch die Perspektive Svens geführt werden. Wir sehen alles genau in der Reihenfolge, wie Sven es sieht. Wir teilen Svens Vermutungen. Aber wir vertrauen dem Erzähler trotzdem, dass er uns alles notwendige und wichtige für diese Szene gezeigt hat. Nun wollen wir doch mal Action aufkommen lassen und den Erzähler vollständig zurücklassen. Das beschleunigt das Tempo und wir wollen verdammt nochmal wissen, was denn hier überhaupt los ist.

      "Schlagartig erlosch das Licht. Und Tom schrie auf: "Taschenlampe, Sven!"
      "Verdammt ... Ich krieg ... sie ... nicht ... hier ist sie. Warte."
      "Leucht mal hierher, Hier. Da bewegt sich was."
      "Bist du sicher?"
      "Hab's genau gesehen."
      Der Taschenlampenstrahl huschte über die schmierigen Latexvorhänge. (Erzähler signalisiert: keine Angst, ich bin noch da)
      "Weißt du", sagte Tom, "Ich kann inzwischen verstehen, warum sie nicht mehr die selbe ist."
      "Sonja?"
      "Sieh dir diese Scheiße hier an ... Es sieht aus: als ob es ganz frisch ... 'drauf gespritzt' ist. ... es klebt sogar am Finger."
      "Was ist das für eine Scheiße?"
      "Protoplasma."
      "... Hör auf mit den Witzen. Tom, ich versprech' dir: wenn es hier irgend etwas gibt, ich glaub, ich werd genauso wie Sonja durchdre -"
      "Shit! Hast du das gehört?"

      Was passiert hier? Je besser der Dialog ist (und den hier hab ich jetzt einfach hingerotzt), umso besser haben wir eine Vorstellung davon, was hier passiert, weil sich die Leute darüber unterhalten. Der Erzähler zieht sich völlig zurück. Wir stehen genau wie die Protagonisten im Dunklen. Wir folgen ihren Stimmen und der Horror passiert im Kopf. Es könnte alles mögliche passieren. Und hier helfen uns ... die Satzzeichen. Entweder um dramatische Pausen zu signalisieren, um Sätze abbrechen zu lassen, vor allem, um die Story atmosphärisch voranzutreiben und zu demonstrieren, dass der Erzähler uns hier nicht mehr an der Hand hält.

      Sehr gutes Beispiel.
      Aber mit den "..." kann ich mich trotzdem nicht anfreunden. Ich würde das mit kurzen Sätzen und eventuellen Gedankenstrichen lösen. Das ist aber am Ende totale Geschmackssache.

      Aber mal von der anderen Seite betrachtet: Ich finde beide Versionen, die mit mehr Erzähler und die mit weniger Erzähler gut. Es kommt ganz und gar auf die Wirkung an, die man erzielen möchte. Ist das erste atmosphärisch und eher kriechend, so sitzt die Angst beim zweiten förmlich im Nacken.
      Am Ende ist es doch wie mit der Musik: Wenn alles gleich klingt, ist das Lied oder gar das ganze Album dröge. Beim Schreiben gilt das selbe: hat man keinen guten Wechsel drin, klingt alles gleich, wird das Buch schnell langweilig. Die Mischung machts am Ende doch mehr, als die Satzzeichen und Stilmittel allein.
      Also mit den "..." versuche ich auch sehr sparsam umzugehen. Bisher habe ich die eigentlich nur verwendet, wen in einer SciFi Geschichte (darf auch in der heutigen Zeit spielen, so etwas schreibe ich aber nicht) ein Funkspruch nur abgehackt angekommen ist.
      Die Pause in einer Konversation deute ich Leiber durch einen eingeschobenen Begleitsatz oder einem Komplet eigenständigen Satz.

      Beispiel:
      "Hallo", sagte Max,"Wohin soll ich gehen?"
      "Hallo." Max dachte einen Augenblick über dieses und jenes nach. "Wohin soll ich gehen?"

      Was ich bei Satzzeichen jedoch wichtig finde, ist, das wen man darüber nachdenkt, was man da tut, die Atmosphäre der Szene unterstützen kann. Eine Actionszene liest sich schneller, wenn man auf kurze Sätze zurückgreift. Daher versuche ich wen ich eine Szene schreibe die schnell und gehetzt wirken soll verzichte ich daher weitestgehend auf Kommas.