Tannennadeltee – eine Geschichte aus dem Leben

      Tannennadeltee – eine Geschichte aus dem Leben



      Meldung im Elbenauer Kreisanzeiger
      Rubrik: Aus den Einsatzprotokollen von Polizei und Feuerwehr

      Gestern, am 15. Januar, meldete ein Anwohner, dass sich am Sammelplatz für Weihnachtsbäume neben den Glascontainern in der Waldstraße eine vermummte, dunkel gekleidete Gestalt aufhält. Die Streifenwagenbesatzung traf auf eine junge Frau mit Kopftuch, die vor einem Baum kniete. Mit einer Nagelschere schnitt sie Tannennadeln ab und fing sie in einer Plastiktüte auf. Die Frau war unterkühlt und schien verwirrt. Sie wurde zur Beobachtung ins örtliche Krankenhaus eingewiesen.

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      Nachtrag zur Meldung von gestern:

      Die junge Frau mit Migrationshintergrund konnte aus dem Krankenhaus entlassen werden. Sie gab an, dass ihr eine Freundin erzählt hatte, dass man mit einem Tee aus Tannennadeln die Jungfräulichkeit wieder herstellen kann. Da in der Familie kein Weihnachtsbaum aufgestellt wurde, wollte die junge Frau sich an den zur Abholung bereitgestellten Bäumen die nötigen Nadeln besorgen.
      Das Ganze nahm ein positives Ende. Der Vater der jungen Frau war zuerst wenig erbaut, doch als ihm in der Klinik gesagt wurde, dass seine Tochter sich schonen muss, weil sie ein Kind erwartet, siegten die großväterlichen Gefühle und er schloss seine Tochter in die Arme.
      An dieser Stelle wollen wir darauf hinweisen, dass uns nicht bekannt ist, wie ein Tee aus Tannennadeln beim Menschen wirkt. Deshalb raten wir von einer Anwendung ab.
      Die entsorgten Tannenbäume werden dem Zoo als Futter zur Verfügung gestellt.

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      Auszug aus den Leserzuschriften:

      »Während meiner Zeit beim Bund wurden wir gewarnt, aus Tannennadeln Tee zu kochen. Angeblich könne dadurch die Harnröhre verharzen. Danach hat sich das keiner mehr getraut.« (Karl-Heinz G.)

      »Schon Hildegard von Bingen wusste, dass Tee aus Tannennadeln bei Atemwegserkrankungen hilft. Ist jedoch die Unschuld dahin - kann der Chirurg vielleicht was wieder zusammennähen ... - der Schalter im Kopf ist jedoch umgelegt.« (Maria T.)

      © Sabine Hennig-Vogel 01/2016