Königlich



      Sterne funkelten in einer klaren Nacht am Himmel. Manche zogen sogar Schweife hinter sich wie Kometen, die glühenden Pfeile des Universums. Die Stadt Bethlehem glich mit ihrer Beleuchtung von Weitem einem einzigen, mit Diamanten besetzten Thron.
      Die Festungen des gesamten Landes befanden sich unter römischer Besatzung. Wer sich widersetzte, wurde mit immenser Härte bestraft. Bettelarm war das Volk zu jener Zeit ohnehin.
      Es gab aber auch Menschen, die trotz allem Leid in dieser Nacht glücklich waren. Das junge Ehepaar Josef und Maria freuten sich über die Geburt ihres Sohnes Jesus. Am frühen Abend hatte der Erstgeborene trotz spärlicher Lebensweise der Eltern ein Wonneproppen, das Licht der Welt erblickt. In der alten Scheune halfen Marias´ s Brüder, dem Kind ein warmes Nest zu bauen.
      Josef war so stolz auf seine Vaterschaft, dass er den Freunden erzählte, der Junge sähe jetzt schon aus wie ein König. Er hatte eben große Hoffnung, sein Wissen über Widerstand und Revolution an den Kleinen weitergeben zu können.
      „Stolz werde ich sein im Alter, wenn mein Sohn Jesus und ich uns alle von der Knechtschaft befreit haben“, kündigte er an.
      Vor der Entbindung musste er jedoch damit leben, dass er für sich und Maria nicht einmal eine eigene Bleibe finden konnte. Sein Querdenken war in der ganzen Region bekannt. Viele dachten aber genau das, was er immer wieder offen aussprach.
      Maria liebte ihren Mann über Alles, denn er war in mehrerer Hinsicht anders. Josef der Frevler verehrte die Frauen, konnte kochen und war sich für nichts zu schade. Deshalb war er sensibel und anfällig. Sie war die mental Stärkere der Beiden. Maria war liebevoll und tolerant, eben besonders. Sie stach heraus.
      Den engen Zusammenhalt erkannte man auch dadurch, dass Josef keinen Wert auf die Gerüchte im Ort legte, das Kind sei von einem anderen gezeugt worden. Zu tief und gefestigt waren die Gefühle zueinander.
      Doch Josef hatte ein Geheimnis. Von seinen Verbindungen zu ausländischen Herrschern wusste keine Menschenseele etwas. Mit Hilfe des Cousins Johannes, einem Weltpionier sandte er Botschaften in die Fremde. Jener las sie nie, er übergab sie nur wie abgemacht. Auf seinen Reisen beschäftigte er sich lieber mit den Menschen. Überall wo er hinkam, bat er die Leute an die Flüsse, beträufelte ihre Köpfe mit Wasser und sagte sein Sprüchlein:
      „Du bist du. Das ist dein Leben. Niemand hat dir zu befehlen und dir Unrecht zu tun. Deshalb trägst du einen Namen, deinen Namen.“
      Den Vorgang nannte er „taufen“. Er fand damit große Resonanz, es machte fast Allen Freude, getauft zu werden. In der heutigen Zeit wäre er ein Motivationsexperte. Den Gedanken der Freiheit trugen er und Josef gemeinsam im Herzen mit sich herum.
      Als Jesus eine Woche alt war und niedlich wie jedes Baby aus seinem Bettchen aus Heu lächelte, ging die Sonne auf. Sein Vater freute sich auch, denn sein Täufer brachte ihm Schriftrollen aus drei verschiedenen Ländern von drei Königen völlig unterschiedlicher Herkunft.
      Der Erste, Caspar, schrieb: „Ich hasse die Römer. Ich werde kommen und dich unterstützen.“
      Der Text des Zweiten, Melchior, lautete: „Ich möchte Frieden und Geschenke zu euch bringen.“
      Balthasar, der Dritte behauptete: „Ein Land in Not braucht eine starke Opposition. Ich gebe euch meine Kraft und komme mit Vorfreude.“
      Tatsächlich kam der Tag, das neue Jahr hatte gerade erst begonnen. Drei Männer mit vollgepackten Eseln betraten den Hof von Maria´ s Familie. Sie hatten Hunger und Durst. Doch wer gönnt guten und einfallsreichen Politikern keine Mahlzeit? Man freute sich hierzulande über neue Ideen und Anregungen. Noch dazu kamen Könige mit Visionen für eine friedliche Zukunft, wer träumt nicht davon?
      Caspar, Melchior und Balthasar traten an die Holzschaukel mit Maria und Josef´ s Sprössling heran.
      „Er versteht uns noch nicht. Aber ich habe Goldmünzen für euch dabei. Eure Währung ist uns zu riskant“, flüsterte Casper.
      „Meine Schriftrollen über inneren Frieden und Meditation helfen euch an Tagen der Überforderung. Weiterhin beschreiben sie die Welt im Ganzen“, philosophierte Melchior.
      „Hier regiert nur einer und alle sehen zu. Damit mehrere Leute wie ihr den Mund aufmachen, habe ich meine Instrumente mitgebracht. Begeistert eure Anhänger mit Klang und guten Worten.“ Balthasar war seine Freude anzusehen, als er die Geschenke übergab.
      Josef und Maria waren so glücklich über den Besuch dieser „heiligen“ drei Könige, dass sie in ihrem Glauben und der Hoffnung bestärkt wurden. Es blieb nicht aus, dass sich es sich bis Nazareth herumsprach. Wichtige Männer kamen aus der Ferne, um einer Familie zu helfen, die sich wehren wollte.
      Bis heute werden deshalb zur Geburt Jesu Geschenke gemacht. Sie sind ein Zeichen zur Wertschätzung jeder einzelnen Person. Es ist bis dato nicht bekannt geworden, ob Josef der leibliche Vater des Kindes war oder nicht. Das spielt aber keine Rolle.
      Patchwork in Israel hat bewirkt, dass Sie jedes Jahr an Weihnachten leuchtende Kinderaugen sehen, wenn er oder sie oder es da war. Einfach „königlich“, nicht wahr?

      ©Roman Reischl 2012