Jukebox - Was haben Autoren an den Ohren?

      Mein Musikgeschmack ist sehr vielschichtig. Was ich absolut nicht tolerieren kann, sind schiefe Töne oder schlechter Gesang. Ich selber kann nicht singen, wollte aber immer gerne eine musikalische Ausbildung machen. Mein Traum wäre Bariton Saxophon gewesen.

      Ich bin seit jeher von Musik fasziniert. Ein absolutes Schlüsselerlebnis für mich war dieser alte Schallplattenspieler, nein, eigentlich war es eher ein Hifiturm. In meiner Erinnerung war er aus einem Guss. Die äußere Hülle war aus Metall und sie war bemalt mit einem silbergrauen Hammerschlaglack. Es gab unglaublich viele wundervolle Knöpfe, Drehregler, Schiebeelemente und das beste von allem: kleine silberne Kippschalter. In meiner kindlichen Fantasie war dieses Gerät nicht nur eine Musikanlage. Es war das Cockpit eines Raumschiffes; es war die wissenschaftliche Kommandozentrale eines Ultrabösewichts, der die Welt mit einem Kippschalter vernichten wollte und den es zu besiegen galt; es war ein Geschenk von Aliens an die Menschheit und es noch vieles mehr. Aber das beste von allem: es machte Musik. Ohne Ahnung zu haben, wie dieses Wunderwerk genau funktionierte, konnte ich es doch fabelhaft selbst bedienen. Und neben Radio und Kassette gab es die wunderbarste Erfindung der Menschheit: Schallplatten. Meine Eltern hatten mir von ihrer Sammlung nur vier erlaubt. Das waren zwei Märchenplatten, einmal die Schlümpfenweihnacht und ein Geschenk der Sparkasse mit dem merkwürdigen Titel "Oldies but Goldies".
      Einmal erlaubte ich mir, heimlich eine Platte aus dem Elternregal zu stibitzen. Und es war ein magisches Schicksal, dass es ausgerechnet eine sein sollte, die mich für den Rest meines Lebens magisch in ihren Bann ziehen sollte. Die ersten Klänge ertönten, ein Klavierlauf, der so märchenhaft anmutete, der von mir Besitz ergreifen wollte, mir meine Seele mit glitzernden Fäden umspannte und obwohl ich kein Wort Englisch verstand, war mir die gesamte Atmosphäre, um die es in dieser Musik ging, doch unfassbar bewusst. Ich spürte, dass ich eine neue Sprache, eine neue Welt entdeckt hatte. Ich kippte die Schalter um, die für einen veränderten Sound sorgten, ich drehte den Regler auf und schwor mir: ich wollte diese Sprache auf dieser Platte irgendwann einmal in meine verständliche Sprache übersetzen.

      Es handelte sich um Cat Stevens. Das erste Lied auf dem Album war "Morning has broken". Als ich älter wurde und Englisch lernte, war das, als würde ich diesen ersten originären Zugang zur Musik verlieren. Es war nie wieder so intensiv wie beim ersten Mal. Ich meine: jetzt verstand ich ja die Worte und ich wusste jetzt ja auch was diese Musik eigentlich alles war. Ich konnte die Musikinstrumente zuordnen, etc. Aber ich hatte dieses erste Erlebnis in meinem Brustkorb gespeichert und jedes weitere Musikerleben knüpfte an diesen ersten Augenblick an.
      Dann setzte ich mich als Teenager hin und begann den englischen Text von Cat Stevens herauszuhören. Ich schrieb jedes Wort auf, schlug nach, was ich nicht kannte und übersetzte die Lyrik ins Deutsche. Das ging gut bis zu dieser einen Nummer. Dieses eine Lied, das, so oft ich es auch höre, immer noch eine Gänsehaut unter der Haut bei mir hervorruft. Das Lied war "Sad Lisa" und ich habe inzwischen eine Sache begriffen: Diese Bildgewalt lässt sich nicht auf Deutsch übersetzen. Es funktioniert nicht, da ein Gedicht heraus zu entwickeln, das dem Original entspricht und gleichzeitig lyrisch gut klingt. Es ist meine lebenslange Schreibübung geworden. Und jeder, der mir nicht glaubt, der darf es gerne versuchen.

      Sad Lisa, von Cat Stevens.

      And her eyes like windows trickelin' rain.


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      Cat Stevens war ein großartiger Sänger, bevor er durchgeknallt ist.
      Der Ausdruck in der Stimme und die glasklare Aussprache.
      Es gibt kaum jemanden, der das auch nur annähernd erreichen konnte.

      Hier schieb ich mal eins hinterher, findet sich auch in meiner Wortlautreihe.



      Und dann noch etwas, bei dem ich immer Tränen in den Augen habe.

      Joan Baez mit "Rejoice in the Sun", der Titelmelodie des Filmes "Silent Running", hier unter dem Namen "Lautlos im Weltraum" bekannt.



      Etwas ungarische Volksmusik das ich über alles liebe. Von Hétrét - Hetric free Folk, eine sehr internationale Band mit Ungarn, Schotten, Kanadiern.... das Lied heißt übersetzt „Kein Vogel in meinem Garten“ und ist ein uraltes ungarisches Volkslied.



      und noch ein Lied von der Band, Gälisch und 2 Strophen, davon die letzte, ungarisch. Die letzte Strophe ist auf eine spezielle volkstümliche Weise gesungen, was für Ungarn typisch ist, sowie die Flöte auch typisch ungarisch ist. Auch hier geht es um den Vogel.



      Dieses Lied nennt sich Duellieren, ebenfalls ein sehr altes ungarisches Volkslied. Die Band spielt auch noch Irish Folk usw. Ich mag generell fast jedes Lied, dass sie produzierthaben.

      Beim Joggen inspiriert mich laute Musik für die weitere Entwicklung an meinem Roman. Im Kopfkino spule ich die Geschichte im Kopf ab und dabei entstehen neue Szenen, mit denen ich zum Teil nicht gerechnet habe.

      Im Laufe der Zeit hat sich meine Playlist dabei um Stücke erweitert, von denen ich vorher nicht wußte, dass sie mir gefallen. Um in die Geschichte einzutauchen, passen sie total.
      Hier ein kleiner Auszug.












      Momentan mach ich ein wenig Musik auch in der Schule zur Unterstützung der Literatur ^^
      Georg Büchner schrieb "Woyzeck" und Tom Waits schrieb ein ganzes Album für ein Broadway Musical, das Woyzeck in die Moderne übertrug. Und seit ich mich für diese Reihe entschieden habe, läuft in meinem Kopf nur noch dieses eine Lied.