Schreibregeln, über die niemand streitet. Nicht mal Autoren (2)

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      Schreibregeln, über die niemand streitet. Nicht mal Autoren (2)




      Schreibregeln, über die niemand streitet. Nicht mal andere Autoren (2)



      Das Problem, weshalb viele Autoren untereinander verstritten sind, ist gar nicht mal, dass ihnen die Literatur anderer nicht gefällt, nur in den seltensten Fällen ist es das Gefühl, von einer Konkurrenz bedroht zu sein – aber natürlich gibt es auch diese Fälle – oft liegt der Kern des Streites in einer nie ausgesprochenen Frage formuliert:

      (5) Warum schreibst du eigentlich?

      Diese Frage zu beantworten, ist das A und O. Das Herzstück des Schreibens.

      Fast so absurd muten viele Autorenstreitereien an, als würde ein Autor eines Sachtextes über Vulkane mit einem Fantasyautor darüber streiten, dass das Fantasybuch absolut misslungen sei, weil es die Familienchronik eines Vulkanbewohners darstellt.

      Ein Sachtext will bilden, Ursache und Wirkungen erklären, will darstellen, wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, ein Fantasyroman will all das nicht. Und daher ist oben genannte Kritik völlig fehl am Platz.

      Aber so offensichtlich wie in meinem Beispiel ist es oft nicht. Denn auch Fantasy-Autoren streiten gern miteinander über die Qualität einzelner Werke, ohne dabei zu bemerken, dass sie eigentlich nur einen Stellvertreterstreit ausfechten und es überhaupt nicht um die einzelnen Werke geht.

      Seit jeher schrieben Autoren programmatische Texte, also ein Programm, was sie für die Aufgabe der Literatur oder der Kunst grundsätzlich hielten. Sie schrieben, was Literatur bezwecken sollte, wofür sie gedacht sei und lieferten Gründe, die an ihren jeweiligen Zeitumständen angelehnt waren.

      Nehmen wir die Literatur der Exil-Autoren zu Zeiten des Nationalsozialismus und darin mein Lieblingsstreit über blühende Akazienbäume. Es kann, heißt es dann einmal, es kann eine Zeit geben, in der es ein Verbrechen ist, über blühende Akazienbäume zu schreiben. Das und nichts anderesist der Ausdruck eines Autors, was er mit seinem Werk bezwecken möchte. Er hält reine Naturpoesie und Unterhaltungsliteratur für verfehlt in einer Zeit der Angst und des politischen Terrors. Und er hält Akazienbaum-Autoren für Mitläufer, die er verachtet. Nehmen wir an, jemand schriebe zeitgleich ein solches Buch, etwas, das so schön und einfach daherkommt und unpolitisch ist, wie meinethalben Heidi von Spyri. In Heidi sollte niemals Politik betrieben werden, aber realistisch eine Gesellschaftsschicht gezeichnet werden. Spyri nun vorzuwerfen, sie habe nichts politisch erreicht, ist verfehlt, auch dann, wenn man in schweren Zeiten lebt und sich lieber einen polit-aktiveren Bertolt Brecht wünscht.

      Es ist nichts Verwerfliches daran, wenn jemand einfach nur schreibt, weil er unterhalten möchte. Es ist auch nichts Verwerfliches daran, wenn jemand bilden möchte. Andere schreiben, weil Sie ihr eigenes Leben damit bewältigen möchten und auch das ist voll und ganz in Ordnung. Und mit Sicherheit gibt es auch immer mehr Autoren, die schreiben, weil sie anderen helfen wollen, Zustände zu überstehen, die sie selbst gerade glücklich überwunden haben und sich ein eben solches Buch gewünscht hätten. Alles in Ordnung und nichts davon ist besser oder schlechter.

      Man sollte nur eben wissen, warum man selbst schreibt und was das Buch für einen Zweck hat.

      In der Literaturwissenschaft gibt es hierfür die Idee des „Idealen Lesers“. Das wäre die andere Seite der Medaille, die man sich selbst als Autor anschauen sollte. Man stellt prinzipiell die selbe Frage wie oben, formuliert sie aber aus der umgekehrten Perspektive. Statt „Warum schreibe ich?“ „Welcher Leser ist der Leser, für den ich dieses Buch geschrieben habe? / der das Buch am meisten genießen wird?“

      Die Beantwortung beider Fragen ist so grundsätzlich, dass man im Vorfeld Streitereien gut vermeiden kann, denn sie helfen, eine für den Autor bedeutende Frage zu klären: Ist mein Buch gelungen, wenn ich dieses bestimmte Programm erreichen wollte? Ist mein idealer Leser „glücklich“, wenn er mein Buch gelesen hat?

      Es ist so sehr von Bedeutung, dass man hierin auch einen Kreis für sich finden kann, denn zunächst einmal ist es sinnvoll, sich zunächst nur mit seinesgleichen auszutauschen.

      Auf den Hompeages der Autoren findet man oft die Rubrik „Über mich“ und wo darin die Antwort auf diese Fragen fehlt, fehlt sie einmal zu viel.

      Vorschlag: Da wir Autoren alle diese Frage beantworten sollten, postet doch in die Kommentare unter diesem Artikel eure Antworten oder die Links zu eurer Homepageseite, wo ihr diese Frage explizit beantwortet.

      Das habt ihr noch nicht dort stehen? Dann aber an die Arbeit. Denkt in Ruhe darüber nach, gern auch ein paar Tage. Denn grundsätzliche Fragen sollte man nicht im Vorbeigehen beantworten.