Erwartung der Weihnacht

      Erwartung der Weihnacht



      Noch eine Nacht – und aus den Lüften
      Herniederströmt das goldne Licht
      Der wundersamen Weihnachtsfreude,
      Verklärend jedes Ungesicht.
      Und wieder klingt die alte Sage:
      Wie einst die Lieb’ geboren ward,
      Die unbegrenzte Menschenliebe
      In einem Kindlein hold und zart.

      Nun zieht ein süß erschauernd Ahnen
      Durch Höhn und Tiefen, Flur und Feld.
      Nun deckt geheimnisvoll ein Schleier
      Des trauten Heimes kleine Welt.
      Dahinter strahlt’s und lacht’s und flimmert’s
      Und ist der süßen Rätsel voll,
      Durch alle Räume weht ein Odem
      Der Freunde, die da kommen soll.

      Und draußen nicken Bäum’ und Büsche
      So leis’ winterklarer Luft:
      Die Kunde kommt, dass neues Leben
      Sich wieder regt in tiefer Gruft.
      Es knarrt die Eiche vor dem Fenster,
      Sie träumt von langer Zeiten Lauf;
      Da steigt wohl auch ein froh’ Erinnern
      In ihre Krone still hinauf.

      O weilt, ihr jugendschönen Stunden,
      Verweile du, der Hoffnung Glück!
      Vermöcht’ ich’s nur: mit allen Kräften
      Der Seele hielt’ ich dich zurück.
      Ihr süßen Träume es Erwartens,
      Der Wunder und Gedicht voll,
      Ihr seid noch schöner als der Jubel,
      die Freude, die da kommen soll.

      Otto Ernst